Der Geist der Isebel

 

Story

 

Wir sitzen zu viert an einem Tisch. Es geht darum die Verhältnisse und die nächsten Schritte zu regeln. Vor ein paar Wochen wurde ich vom Vorstand frei gestellt - im 64. Altersjahr. 6 Jahre war ich Geschäftsführer des Vereins und verantwortlich für die Geschäftsstelle. Mir wurde vom Präsidenten per Telefon mitgeteilt, dass ich nicht mehr an meinen Arbeitsplatz zu kommen brauche. Ich bin behandelt worden wie ein "Verbrecher". So hatte man mir z.B.: verboten die Geschäftsstelle noch einmal zu betreten oder mit meinen Mitarbeitern Kontakt auf zu nehmen. Alle Logins, selbst diejenigen, die ich persönlich genutzt hatte, wurden gesperrt. Von einem Tag auf den anderen wurde ich einfach so ausgeschlossen. Man hatte mich nicht ein einziges Mal in einem persönlichen Gespräch angehört.

Ich versuchte mich zu wehren und Dinge klar zu stellen. Der Präsident des Vereins hatte mir am Telefon, auf meine Rückfrage, 5 Gründe für meine sofortige Freistellung mitgeteilt. Ich verstand die Welt nicht mehr. Erst noch vor wenigen Wochen wurde mir die volle Unterstützung des Vorstandes bekundet und der Präsident hatte mich noch wohlwollend darauf angesprochen, dass ich doch auch über die Pension hinaus, teilzeitlich, meine Kenntnisse und Fähigkeiten einbringen könnte. Aber jetzt war alles anders. Stossend finde ich, dass der Präsident des Vereins laufend Emails verschickt hatte, mit einem Preis, den er mit seiner Firma gewonnen hatte im Blick auf die Wertschätzung der Mitarbeitenden. Was für ein Witz.

Die Gründe, welche für die Freistellung angegeben wurden, sind relativ banal, wie z.B., eine neue Mitarbeiterin sei unzufrieden. Die Vorwürfe rechtfertigten niemals eine Kündigung und sie erwiesen sich auch als unbegründet. Zusammen mit einem Vorstandsmitglied habe ich in der Folge mit den betroffenen Personen geredet und eine Stellungnahme verfasst. Alle widersprachen den Anschuldigungen gegen mich. Die Stellungnahme wurde vom Vorstand nicht beantwortet. Es gab nie eine Wiederanhörung. Später musste ich feststellen, dass selbst Sitzungen des Vorstand hintenherum abgehalten wurden. Ich habe schlussendlich noch in meiner Funktion als Geschäftsführer an einer Mitgliederversammlung des Vereins teilgenommen. Die Situation wurde zwar diskutiert, aber es gab weder Rückfragen, noch konnte ich selber Stellung nehmen. Die Karten waren offensichtlich bereits verteilt. Die Mitglieder haben die Situation hingenommen mit einem Achselzucken. Da war der Leiter des Vereins, den ich 6 Jahre unterstützt hatte, mit ihm viel gebetet und mit ihm zusammen den Verein für die Zukunft gerüstet hatte. Er hatte eine mehrwöchige Dienstreise unternommen und mir die Situation anvertraut. Als er zurückkam war alles anders. Er sprach nicht mehr mit mir und würdigte mich auch keines Blickes mehr. Einmal ist er in mein Büro gekommen um Unterlagen zu holen. Kein Wort, nur schnell wieder raus. Was ist da in der Zwischenzeit geschehen? Ich weiss es bis heute nicht. Selbst aus der Retroperspektive ist das Ganze kaum zu glauben und es wird auch immer noch verrückter. Ein Studienkollege, mit welchem ich in einer Art Internat 4 Jahre in der gleichen Klasse erlebt hatte, war auch im Vorstand und hat keinen Finger gekrümmt. Im Gegenteil. Noch mehr? Der Präsident des Vereins hatte zum Zeitpunkt meiner Freistellung bereits den Rücktritt gegeben, ist verabschiedet worden. Er war eigentlich gar nicht mehr im Amt. Der Leiter des Vereins hatte das Pensionsalter bereits erreicht. Mir ist schleierhaft, worum es ihm gegangen ist. Aber die beiden hatten noch ein letztes Mal ihre Muskeln spielen lassen. Ich war wohl ein Bauernopfer - was zählt das schon? Meine Freistellung hatte natürlich auch auf andere Auswirkung auf andere Mitarbeitende - selbst auch auf ehrenamtliche Helfer. Mit ihnen wurde später auch nicht mehr gesprochen und es wurde ihnen auch gekündigt. Der grosse Rest der Mitarbeiterschaft hat das alles einfach so hingenommen. Es gab kein einziges Echo, keine Frage - nichts. 

Nun ging es also darum die Situation im Blick auf meine Freistellung zu regeln. Es gab keine soziale Abfederung. Die Last liegt ganz auf meiner Seite. Da sagt doch der neue und zukünftige Leiter etwas, was heute noch in meinen Ohren nachklingt: "Du und deine Familie haben den Geist der Isabel in den Verein gebracht". Auf unsere Nachfrage hin meinte er, wir würden als Familie Unruhe stiften, Unwahrheiten verbreiten und damit verwirren. Meine Frau und ich schlucken leer. Für uns war damit das Gespräch erledigt. Was soll man denn dazu noch sagen?

 

 

Tja, so wird unter Christen miteinander umgegangen. Ich weiss nur eines: wenn man so etwas mit mir machen kann, dann erst recht mit anderen. Eine Kündigung ist die eine Sache. Die Art und Weise wie Christen miteinander umgehen ist die andere. Mit wie vielen "Leichen" ist die Christenheit wohl gepflastert? Was ist mit uns los?

Ich selber bin ganz schön naiv gewesen. Irgendwie bin ich davon ausgegangen, dass man mich am Resultat meiner Arbeit und meiner gelebten Integrität beurteilen würde. Man hatte mich verpflichtet in einer Situation, in der Verein nicht mehr weiter gekommen ist. Jetzt stand der Verein so gut da wie noch nie. Man hatte zwei andere Vereine mit ähnlicher Zielrichtung integrieren können und so mehr Wirkung erzielen können. Die Spenden sind im Jahresdurchschnitt um 50% (1/2 Million) höher gewesen. Wir hatten ein gutes Arbeitsklima in der Geschäftsstelle. Ich habe immer transparent und offen die Dinge ausgelegt. Die wichtigen Entscheide sind auf Leitungsebene bis hin zu den Mitgliedern gemeinsam gefällt worden. An all dem wäre ich gerne gemessen und beurteilt worden. 

 

 

 
 

Wie mit so einer Situation umgehen?

Zunächst einmal ist es wichtig, sich einzugestehen, dass solche Erfahrungen nicht so ungewöhnlich sind, wie man es gerne denken würde. Das sagt sicher nichts darüber aus, ob solches Verhalten Rechtens ist. Bestimmt ist es nicht richtig. Im Gegenteil. Es ist dumm und falsch. Aber selbst unter Christen ist solches Verhalten mittlerweile gang und gäbe.

Manche finden, das Wichtigste sei die Vergebung - und zwar einseitig. Ja, Vergebung ist ein wichtiger Faktor - manchmal das Gebot der Stunde. Vergeben zu können bedeutet seelische Reinigung. Sie hilft einem, nicht zu verbittern und von den Ereignissen loszukommen. Gott vergibt uns. Er ist uns gnädig. Warum sollten wir nicht auch anderen gegenüber uns auf diese Weise verhalten? Genau darauf spekulieren Machtmenschen. So können sie weitermachen ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden. Man darf in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass es nicht lediglich um einem selbst geht, sondern auch um andere. Machtmenschen, die ihren Weg und ihre Macht gefährdet sehen, unternehmen alles, um ihre eigene Macht zu schützen und auszuweiten. Da gehört auch die Verunglimpflichung anderer dazu. Solche Menschen können "über Leichen" gehen. Vergeben und vergessen ist da nicht der richtige Weg. Solchen Leuten muss die Stirn geboten werden. Da mir selber jedes Gespräch und jede Richtigstellung verweigert wurde und auch die Mitglieder des Vereins nicht bereit waren, näher hinzusehen, blieb mir nichts anderes, als loszulassen. Um mit dem beschriebenen Spannungsfeld umgehen zu können, habe ich mich entschlossen, massgebliche und beweisführende Dokumente in einer Schachtel aufzuheben, um sie nicht dem grossen Vergessen auszusetzen. Die Schachtel habe ich zugeklebt und mit grossen Lettern beschrieben: "Empörung". Mit Empörung, falschem und rücksichtslosem Verhalten entgegen zu treten ist unumgänglich.

Wichtig ist auch die Unterscheidung zwischen der Verurteilung von Menschen und dem Benennen von Falschem und Ungereimtem. Es steht mir nicht zu ein Urteil über andere Menschen zu fällen. Eine Lüge aufzudecken und sich dieser entgegen zu stellen ist nicht dasselbe wie jemanden als Lügner zu bezeichnen. Ich verbitte mir von jemandem abgeurteilt zu werden. Dazu braucht es eine Beweisführung. Dazu sind Gerichte da. Und am Ende müssen wir alle unser Leben vor Gott verantworten. Darüber hinaus ist eine Vorverurteilung und eine Aburteilung sehr verletzend und schmerzvoll. 

 

 

 

 

 

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