Die Wüste Negev

 

Reisenotiz/Elia

Zwischen Khorbat Anim und Be'er Sheva, Süd Hebron

 

Mit dem Flugzeug und dem Auto lediglich ein paar Stunden entfernt von der Schweiz, aber eine ganz andere Welt. Der Kontrast könnte größer nicht sein. Die Gegend ist sehr karg und steinig. Alles erscheint in braun, grün ist Mangelware. Kaum Bäume, kaum Schatten, vor allem Sonne. Weit und breit kein Fluss, kein See, dann Steine und nochmals Steine, feinster Sand .... Die Temperaturen bleiben im Sommer locker über 40 Grad im Schatten. Dafür aber ist der Flughafen, jedes Geschäft und jedes Haus klimatisiert. Drinnen kühl und draussen heiss. Dem kargen Wüstenboden wird mittels Tröpfchenbewässerung Gemüse und Früchte und Trauben abgerungen. Nur wenige Tropfen Wasser und schon wird es grün. Die Region ist nur dünn besiedelt. Sie umfasst rund 60% des Staatsgebietes, jedoch wohnen hier nur rund 10% der Einwohner. 600'000 Juden die ihren Wohnort frei wählen dürfen und 200'000 Beduinen, die in 8 Townships wohnen sollen, 100'000 davon mit israelischer Staatbürgerschaft. Städte erkennt man bereits 1 Kilometer im Voraus am Abfall seitlich der Strassen. Müll türmt sich auch direkt vor den nicht genehmigten Slumsiedlungen der Beduinen ebenso wie vor prächtigen Villen. Hier geht es um Grundbesitz und damit verbunden, um die Existenz von 40 durch den Staat nicht anerkannte Ortschaften. Das Dorf Al-Araqub wurde von israelischen Behörden seit 2010 mit schwerem Gerät über 100-mal abgerissen. Die Beduinen verwenden in kleinen Siedlungen in erster Linie Bleche zum Bauen und auch als Sichtschutz. Ziegen stehen im Schatten vor den Hütten. Dann sieht man Esel und mitten in der Wüste tauchen freilaufende Kamele auf. Der Strasse entlang reiten Beduinen mit Turban wie stolze Krieger auf ihren schwarzen Pferden. Frisch aus dem Boden gestampfte offizielle jüdische Siedlungen sind eingezäunt und mit Kameras überwacht. Jeder baut wie es ihm gerade recht ist. Einige mit Lehm, andere mit Stroh, und wieder andere mit Holz oder Eisenkonstruktionen und Gips. Alles unmittelbar nebeneinander. Gegen Sonnenuntergang färben sich die Hügel ockerrot. Ein angenehm kühler Wind weht. Selbst im Hochsommer kann es nachts kühl werden. Hier leben Juden und Araber nebeneinander und gleichzeitig ineinander verwoben und dennoch nicht gleichberechtigt. Die Beduinen des Negevs identifizieren sich stärker mit Israel als andere arabische Israelis. Die drusischen Männer werden im Gegensatz zu den anderen arabischen Israelis zum Wehrdienst eingezogen, werden aber von den restlichen muslimischen/christlichen Palästinensern/Arabern in Israel oft als Verräter angesehen, wenn sie freiwillig zur Armee gehen. Die Beduinen in Israel haben eine der höchsten Geburtenraten der Welt. Familien mit über 10 Kindern werden als normal angesehen. Hebräisch ist die offizielle Amtssprache, aber im Negev sprechen die Beduinen arabisch. Weder die hebräischsprechende noch die arabischsprechende Bevölkerung haben meist Kenntnis von der Sprache des jeweils anderen, was Missverständnisse und Intoleranz verfestigt. Um den Kontrast zu vervollständigen, müssen die zahlreichen Neueinwanderer russischer Herkunft erwähnt werden. Ihnen wurde die Möglichkeit gegeben, Wohnungen zu günstigen Preisen in kleinen Satellitenstädten im Negev zu erwerben. Russisch ist mit rund 1,3 Millionen Sprechern zurzeit die drittgrösste Sprache Israels.

 

Der australische Tänzer, Choreogrph, Maler und Gartengestlter Graham Watson:

"Jetzt bin ich hier in Israel, im Negev, und ich muss sagen, es ist eine der anregendsten Landschaften, die ich je erlebt habe. Ich denke, dass der Negev ein Raum für neue Ideen ist, dass er Innovationen anstossen kann, ich denke, die Wüste bringt dieses Gefühl der Veränderung hervor. Man kann etwas verändern, indem man in der Wüste ist. Ich kann gut verstehen, warum Moses 40 Jahre lang hier herumgewandert ist, denn hier hat sich die Sklavenmentalität gewandelt zu einer dynamischen kulturellen Einheit. Und die Wüste gibt mir noch etwas, hier wende ich mich stärker der Kontemplation zu, bevor ich mich in die Aktion begebe. Denn in dem Augenblick, in dem man aktiv wird, verliert man ein Stück Freiheit."

Ein weiterer Kontrast bildet der am nördlichen Rand der Negevwüste sich befindende Yatir Wald. Es ist der größte gepflanzte Wald in Israel und umfasst 30 km². Er liegt in einem Gebiet mit trockenem Klima, in dem eine niedrige Luftfeuchtigkeit vorherrscht. In Höhen zwischen 400 und 850 Metern über dem Meeresspiegel fallen durchschnittlich 300 bis 350 mm Niederschlag im Jahr. Die Böden bestehen aus kalkhaltigen Gesteinen. Die Anpflanzungen, zu denen auch Weingärten und verschiedene Straucharten gehören, haben die Ausbreitung der Wüstenbildung, nördlich von Be'er Scheva gestoppt. Sie reduzieren die Verdunstung der seltenen Niederschläge und binden Kohlendioxid aus der Luft. Die Anlage des Yatirwaldes erfolgte ab 1964 durch den Jüdischen Nationalfond. Ein Freund von mir war damals an der Aufforstung beteiligt.

 

 

 

 

Das Öko-Dorf Har Amasa

Mich hat es nach Har Amasa verschlagen, auf 800 M.ü.M. nur wenige Kilometer von der Grenze zur Westbank, südlich der Palästinensergebiete. Das Dorf liegt am Rand des Yatir Waldes und der Israel National Trail führt daran vorbei.

  1. Wikipedia Artikel Har Amasa 
  2. Erkunde die beliebtesten Wander-Routen in der Nähe von Har Amasa
  3. Israelisch-arabischer Weinanbau überwindet Grenzen

 

Auf den Hügeln, wenige 100 Meter entfernt, findet man Mauerreste mit behauenen Steinen. Ich nehme an, dass hier auch ein Befestigungsturm zur Nachrichtenübermittlung wie in Khorbat Anim (siehe unten) gestanden ist. 

 

In unmittelbarer Nähe

Das Land ist voller Geschichte. Selbst hier in der Wüste stösst man da und dort auf archäologische Stätte, wo bei Ausgrabungen Jahrtausende Geschichte in Schichten übereinander gefunden werden. Trotz der zum Teil unwirtlichen Rahmenbedingungen war die Region seit alters her von Menschen bewohnt. 

Khorbat Anim

Die Liste der Städte Judas im Alten Testament in Josua 15,21-32 weist einen eigenen Abschnitt zum Negev auf, in dem Orte aus dem Beerscheba-Tal und aus dem Nordwest-Negev aufgeführt werden, darunter Anim, ein Ort aus der Eisenzeit (1200 - 550 v. Chr.): Joshua 15,50. Der Negev war demnach zeitweise Teil des von Juda-Jerusalem beherrschten Gebiets.

Am höchsten Punkt des Hügels befindet sich eine rechteckige Festung von 21 x 21 Metern, ein Burgwall mit einem Innenhof. Der Turm stand an einem strategisch entscheidenden Aussichtspunkt. Zur Zeit des ersten Tempels wurden im Königreich Judäa eine grosse Anzahl von Befestigungen und Türmen gebaut. Diese dienten zur Kommunikation, als Warn- und Signalposten. Über sie wurden Informationen übermittelt und Geheimdienst Aufgaben wahrgenommen. Von hier aus sieht man im Norden bis zu den Hebron Bergen und im Süden den Negev. Damals vermittelte man Nachrichten tags über mit Rauchsignalen und nachts mit Feuer. Die Türme waren Teil der Verteidigungsstrategie. 

Faszinierend sind die freigelegten unterirdischen Kavernen, in denen damals gelebt wurde, zusammen mit Tieren und die auch für bäuerliche Tätigkeiten genutzt wurden. Am Eingang platzierten die Erbauer rechteckige, beschlagene Steine, um das Eindringen von Regenwasser in den Wohnbereich zu verhindern. Im Innern wurden Gewölbedecken mit Feldsteinen gebaut. Im Boden findet man eingelassene Feuerstellen und Fragmente von Mühlsteinen. Gefunden hat man eine Presse aus dem 8 Jh. n.Chr. aus der frühen Islam Periode, welche zur Herstellung von Olivenöl verwendet wurde. 

In der jüdischen Siedlung Anim befindet sich eine Synagoge aus byzantinischer Zeit (4.-7.Jh. n.Chr.). Die Synagoge hatte eine Eingangshalle mit einem farbenfrohen Mosaikboden, mit geometrischem Design, einem Gebetsraum mit Inschriften und einen Innenbereich mit Garten, der nach Jerusalem ausgerichtet war.

Beersheba

Be'er Scheva liegt etwa 30 Kilometer westlich und gilt als „Hauptstadt der Wüste Negev, an deren Rand sie liegt. Die Stadt war zu biblischen Zeiten von größerer Bedeutung, insbesondere hat sich Abraham hier aufgehalten. Seinerzeit gab es eine grössere Ansiedlung, die heute ein paar Kilometer östlich der heutigen Stadt Be'er Scheva besichtigt werden kann. Archäologische Ausgrabungen auf dem Tel Be'er Sheva bestätigen, dass es die Stadt bereits vor 6000 Jahren gegeben hat, und dass ab 1100 v. Chr. eine stark befestigte israelitische Stadt existierte. Die UNESCO hat diesen Siedlungshügel zum Weltkulturerbe erklärt.

In der Bibel wird Beersheba mehrfach im Zusammenhang mit den Patriarchen Abraham erwähnt. Im 1. Buch Mose wird geschildert, wie die Dienerin und Nebenfrau Abrahams mit ihrem Sohn Ismaels bei Beersheba in der Wüste umherirrt: 1.Mose 21,14. Ausserdem schliesst Abraham einen Bund mit Abimelech und kann dadurch einen von ihm gegrabenen Brunnen ungestört nutzen   1.Mose 21,22. Woraus der Name Be'er Sheva entsteht, was übersetzt „Brunnen des Schwurs“ bedeutet. In Kapitel 21 Vers 33 planzt Abraham hier eine Tamariske. Nach dem Tod Abrahams entbrennt der Streit um den Brunnen erneut. Isaak zieht schliesslich nach Be'er Sheva nachdem die Philister den Brunnen unbrauchbar gemacht hatten, indem sie ihn mit Erde auffüllten. 1. Mose 26,23

Heute gibt es auf dem Tel Be'er Sheva einen 70 Meter tiefen Brunnen in dem man Wasser schöpfen kann. Ob hier tatsächlich der Stammvater Abraham Wasser getrunken hat, ist schwer zu sagen. Fest steht aber, dass die Stadt damals blühte, nicht zuletzt aufgrund des Wassers der beiden Flüsse (Hebron und Beer Sheva), deren Betten man bis heute erkennen kann (wenige hundert Meter südlich und nördlich des Tels). Es gab Badehäuser, ein Kanalsystem, Regensammelbecken, einen Palast, Wohnhäuser mit hohen Standards - kurzum, nicht unbedingt das, was man von einer Wüstenstadt erwarten würde.

Das Volk der Israeliten ist heimisch geworden. Unter König David und König Salomo ist Beersheba die südlichste Stadt des Stammes Juda    1.Samuel 3,10

Auch bei den Propheten wird Beersheba erwähnt. So flieht Elia vor dem König Ahab und macht Rast in Beersheba im damaligen Königreich Juda    1. Könige 19,3

 

 

 

Ausfüge zu Sehenswürdigkeiten im Nord-Negev

 

En Avdat Nationalpark in der Wüste Zin



En Avdat zählt zum UNECO Weltkulturerbe. Der Avdat National Park umfasst die Reste von einer der berühmtesten Nabatäer-Städte entlang der Weihrauch-Route, die Straße, über die teures Weihrauch, Parfüm und Gewürze aus Arabien exportiert wurden, quer durch den Negev zu den Mittelmeerhäfen. Der Nationalpark ist Teil der Wüste Zin, welche in der Bibel mehrfach erwähnt wird. So ist das Volk Israel auf seiner vierzigjährigen Wanderschaft durch die Wüste, auch in das Wadi Zin geführt worden, eine der eindrucksvollsten Landschaften des israelischen Negev. So soll Mose auf der Wanderung durch die Wüste Zin mit seinem Stock gegen einen Felsen geschlagen haben, aus dem dann Wasser für das durstige Volk floss   4. Mose 20.

Wasser hat über Jahrtausende eine tiefe, breite Schlucht in das weiße, weiche Kalkgestein geschnitten. Fast senkrecht erheben sich die Gesteinsschichten, ein schmales Rinnsal durchzieht den unteren Bereich des Canyons. Im mittleren Bereich öffnet sich in einem Seitenarm ein großer Pool, der von einem kleinen Wasserfall gespeist wird. Das meiste Wasser dringt nicht sichtbar durch Gesteinsritzen und füllt das Becken. Auch bei Temperaturen über 40° Celsius, ist es wie eine ständige Tränke für Wüstentiere, auch wenn das Wasser leicht modrig riecht und als Trinkwasser für Menschen nicht geeignet ist. Viel Kleingetier lebt darin, auch kleine Krebse. In mittlerer Höhe zieht sich zu beiden Seiten der Schlucht eine schmale, schwarze Gesteinslinie aus Feuerstein, als sei sie von Menschenhand aufgemalt. Im hinteren Bereich der Schlucht, führt ein Wanderweg vorbei an Höhlen, die von den Mönchen während der byzantinischen Periode bewohnt waren.

 

 

Mitzpe Ramon

Die kleine Stadt erlaubt einen einmaligen Panoramablick über den Krater Ramon, mitten in der Wüste Negev. Ramon ist mit einer Länge von 40 km und einer Tiefe von 400 Metern, der grösste Krater der Welt. Er entstand, allerdings anders als die meisten Krater der Welt, nicht durch vulkanische Aktivitäten oder Meteorit-Einschläge, sondern durch Wind und Wasser. Erosionsprozesse haben die Landschaft geformt. Weit und breit nichts ausser karge Landschaft. Dennoch leben hier rund 40 verschiedenen Wüstentiere wie Schlangen, Nagetiere, Stachelschweine, Eidechsen, Skorpione und auch Schildkröten. Vor einem Kraterwände, welche senkrecht abfallen. Der Anblick lässt den Atem stocken, bringt einem zum Staunen. Diese Öde hat etwas Magisches. Man kann unmittelbar entlang des Kraterrandes spazieren gehen.

                                                                                                                

 

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