Das Wort

 

Im Spital. Ich begleite einen Freund im Sterben. Da erfahre ich, dass er einen ganz speziellen Bibeltext über seinem Leben und damit in der Todesanzeige haben möchte. 

„Am Anfang war das Wort. Das Wort war bei Gott, und in allem war es Gott gleich. Von Anfang an war es bei Gott. Alles wurde durch das Wort geschaffen; und ohne das Wort ist nichts entstanden. In ihm war das Leben, und dieses Leben war das Licht für die Menschen.“

Man stellt sich die Frage, was denn so ein dogmatischer Text auf einer Leidkarte zu suchen hat. Wie kommt mein Freund dazu? Warum war ihm das so wichtig?

 

Es gibt in der Bibel 4 sogenannte Evangelien. In denen berichten 4 unterschiedliche Männer aus unterschiedlicher Sichtweise für unterschiedliche Lesergruppen vom Leben Jesu. Wie würdest Du bei einer Biographie von Jesus ansetzen?

  • Markus: Er war wahrscheinlich der Erste, der so einen Bericht verfasst hat und er beginnt mit der Aussage: „Wie alles seinen Anfang nahm“ (V1) … und dann erzählt er von Johannes dem Täufer, welcher den Weg von Jesus vorbereitet hat.
  • Matthäus: Er startet mit dem Stammbaum von Jesus – Er schrieb an hebräeischen Landsleute und zählt darum alle Vorfahren von Jesus auf… von Abraham bis David.
  • Lukas: Er hat viel recherchiert und begründet zu Beginn seines Evangeliums recht ausführlich warum er überhaupt vom Leben Jesu berichtet. Sein Publikum sind griechisch geprägte Menschen.

 

Johannes setzt ganz anders an als die anderen 3 Schreiber. Er meint: „Am Anfang war das Wort. Das Wort war bei Gott, und in allem war es Gott gleich.“ 

Das ist eine Anspielung auf den Schöpfungsbericht im Buch Mose. Beide Texte beschreiben Gottes Schöpfungstätigkeit durch sein gesprochenes Wort, etwa durch die Aussage "Gott sprach: Es werde Licht" im 1. Buch Mose. Johannes knüpft genau da an, um Jesus als das Wort zu bezeichnen, durch das alles geschaffen wurde. 

Johannes macht damit deutlich, dass für ihn Jesus nicht nur ein guter Mensch war. Er war auch nicht bloss aus der Abstammung Abrahams und des Königs David … nicht lediglich ein Prophet. Jesus ist auch nicht ausschliesslich Heiland, Retter. Jesus ist viel mehr. Jesus ist präexistent. Das heisst, es gab ihn schon vor der Schaffung/Entstehung der Erde. Jesus ist der Ausgangspunkt allen Existierenden. Gott hat geredet und alles wurde. Er ist die Schöpfungskraft. Er ist Gott selber. Er ist ein anderer Ausdruck des einen Gottes. 

Das ist es, was meinem Freund wichtig geworden ist. Warum sollte man sein Leben auf Jesus ausrichten, wenn sich seine Existenz bloss auf sein Menschsein beschränkt? Das würde keinen Sinn machen. Der Tod von Jesus am Kreuz wäre wirkungslos und seine Auferstehung lediglich eine Sage, ein Mythos. 

 

Im Netz findet man viele viele romantisch-schnulzige Bilder von Jesus als Schöpfer. Diese stammen meist von Homepages mit sektiererischem Hintergrund wie z.B.: Zeugen Jehovas oder Buch Mormon. Die Darstellungen haben einerseits einen guten Ansatz, weil sie diese Schöpferdimension von Jesus einzufangen versuchen. Sie können aber der Realität nicht gerecht werden, da sie so sehr am Menschsein von Jesus festhalten. 

 

Johannes erweitert unseren Horizont, indem er die Biographie von Jesus von Anbeginn der Zeit ansetzt. Das bedeutet auch, dass Jesus nicht lediglich war, sondern auch noch ist. Er ist nicht nur Geschichte, sondern auch Gegenwart. Er ist zwar in unserem Sinne gestorben, aber er lebt, in einer anderen Form als die, die uns bekannt ist. Er existiert. Er lebt. Und Jesus wird auch in Zukunft sein. Ja, er ist die Zukunft. Die ganze Menschheitsgeschichte läuft auf ihn hinaus. Jesus selber meinte: „»Ich bin der Weg, denn ich bin die Wahrheit und das Leben. Einen anderen Weg zum Vater gibt es nicht.“ (Johannes 14,6)

Jesus bedeutet Leben, denn er ist der Weg zum Vater Gott.  

Dieses Wissen hat das Leben meines Freundes geprägt, noch bis in seine letzten Stunden. Er hat geglaubt, dass nach dem Tod das Leben noch nicht aus ist. Wir glauben an einen Gott, der sich der Menschen annimmt, sie aufrichtet, auf dass sie Gnade erfahren vor seinen Augen. Es ist die zentrale Hoffnung, die Christen darin verbindet, dass ein Gott ist, der unser Leben nicht vergisst und aus unseren krummen Wegen wieder gerade machen kann.

 

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