Ein Ratschlag aus der Bibel

Essay

Prüft alles und das Gute behaltet

 

Theologisches Essay

 

Das ist ein fantastisch guter Ratschlag. Er ist zeitgemäss, modern. Ja, man sollte nicht vorschnell Dinge aburteilen, ohne sich damit auseinander gesetzt zu haben. 

Anlass für einen näheren Blick auf den biblischen Text gab für mich dessen häufige Zitierung im Krisenjahr 2020. ​​​​Im Zusammenhang mit der Weiterleitung von Videoclips aus You-Tube und Co. zu den Themen Trump und Covid 19 kam oft die Aussage, dass doch jeder sich nehmen soll, was er für gut hält. Jemand schrieb mir, dass er/sie die Videoclips an selbständig denkende Menschen sende und diese sich schon selber ein Bild machen könnten. Das tönt im ersten Moment recht gut und einleuchtend. Aber es macht auch Verantwortungslosigkeit deutlich. Viele Leute "liken" irgendwelche Videoclips und Artikel und leiten diese weiter. Unzählige Male erhielt ich auf meinen Hinweis, die Videos enthielten rechtsextremes und/oder ultraesoterisches Gedankengut, die Aussage von Paulus aus 1.Thessalonicher 5,21 als Antwort. Leider ist das nichts anderes als eine faule Ausrede, um selber nicht Verantwortung übernehmen zu müssen. Eine Art Freibrief, unbesehen irgendwelches Zeug an Freunde und Bekannte zu versenden und sich selber damit wichtig zu machen.

 
Worum geht es?

Paulus schreibt an die Gemeinde in Thessalonich und zwar im Rahmen einer Auseinandersetzung mit den Wirkungen des Heiligen Geistes, wie z.B. Prophetie oder Reden in Zungen. Der Geist Gottes soll ungehindert wirken können. Da aber diese Wirkungen nicht immer eindeutig sind, sondern auch Menschliches sich dabei breitmachen kann, braucht es eine Überprüfung. Die Überprüfung gilt nicht nur individuell, sondern wird gar organisatorisch erläutert.

1. Thessalonicher 5,19-22

«Lasst den Geist Gottes ungehindert wirken! Wenn jemand unter euch in Gottes Auftrag prophetisch redet, dann geht damit nicht geringschätzig um. Prüft jedoch alles und behaltet das Gute! Das Böse aber – ganz gleich in welcher Form – sollt ihr meiden».

An die Gemeinde in Korinth schreibt Paulus Ähnliches und das in demselben Zusammenhang:

1. Korinther 14,29

»Auch von den Propheten, die Gottes Botschaften empfangen, sollen zwei oder drei sprechen; die anderen sollen das Gesagte beurteilen».

So auch der Apostel Johannes in einem seiner Briefe:

1. Johannes 4,1

«Glaubt nicht jedem, der behauptet, dass Gottes Geist durch ihn redet. Prüft vielmehr genau, ob das, was er sagt, wirklich von Gottes Geist stammt. Denn in dieser Welt verbreiten viele falsche Propheten ihre Irrlehren».

 

«Prüft alles und behaltet das Gute» - dieser gute Ratschlag kann missbraucht werden. Er gehört ganz sicher nicht in den Zusammenhang mit der Weiterleitung von irgendwelchen Videoclips. Heute werden in kürzester Zeit per Sozial Media die wildesten Ideen verbreitet. Da ist es entscheidend, dass man nicht einfach nur weiterleitet, sondern den Inhalt beurteilt und schaut, wer dahintersteckt. Das Problem: Wer etwas weiterleitet und etwas empfiehlt, wandelt sich selber vom Empfänger zum Sender. Um in der Sprache von Paulus zu bleiben: man wird selber zum Propheten. Für Propheten, also die Sender, welche Unwahrheiten, Falsches und gar Böses verbreiten, hat die Bibel eine ganz andere Sicht. Sie werden als falsche Propheten, Pseudo-Propheten bezeichnet. Zu ihnen soll man Distanz halten und sie entlarven. 

Wer im genannten Bibeltext nachliest stellt fest, dass Paulus genau davon redet: Vers 22 «Das Böse aber – ganz gleich in welcher Form – sollt ihr meiden». Etwas weiter zu leiten oder zu liken, selbst wenn es einen Kern Wahrheit beinhaltet, ist das Gegenteil von etwa "meiden". Schliesslich verbreitet man ja damit etwas Fragwürdiges oder gar Schlechtes. Was viele nicht verstehen ist, dass sie mit dem Weiterleiten und liken, ja selbst schon mit blossem lesen der Artikel oder anschauen der Videoclips nicht nur den Inhalt, sondern auch die Urheber fördern. Diese bekommen immer mehr Raum in den Sozial Medias, bekommen Gehör und damit auch politisches Gewicht. Es ist, als ob man auf der Strasse Flyer für diese Gruppierungen verteilen würde. Aber bei Rechtsextremismus und ultraesoterischem Gedankengut hört der Spass auf. 

Die Art, wie Bibeltexte im Zusammenhang mit "Prüfen" angewendet werden ist ganz typisch zeitgenössisch: Wir nehmen das was uns passt ("das Gute behalten"), den Rest ("das Böse meiden") lassen wir weg. Es ist ein gutes Beispiel dafür, wie man Bibelzitate für seine eigenen Zwecke missbrauchen und sie quasi ins Gegenteil umwandeln kann. Aber das ist ein Schuss ins eigene Knie, denn es bedeutet, dass die Leute das, was sie weitergeleitet haben selber nicht wirklich überprüft, oder gar trotz besseren Wissens einfach leichtgläubig übernommen haben. Sie schaden sich damit selber und ihrem Umfeld, ihrer Familie, ihren Bekannten, ihren Freunden.

 

 
b) Zwei Ergänzungen zum Thema
  • Etwas "auf Herz und Nieren" zu prüfen ist in der Bibel etwas ganz Selbstverständliches. Selbst Gott prüft die Dinge. Dies obwohl man annehmen könnte, er kenne die Verhältnisse. 

2. Chroniker 32,31

"Gott ließ Hiskia tun, was er für richtig hielt. Er wollte prüfen, wie es in seinem Herzen aussah."

Daniel 11,35 

"Selbst von den Weisen und Verständigen kommen manche zu Fall, doch es dient ihrer Läuterung. Gott will sie durch diese schwere Zeit prüfen, damit ihr Glaube sich bis zum Ende bewährt. Doch noch ist das Ende nicht da."

Sacharia 13,9 

"Ich will den dritten Teil durchs Feuer gehen lassen und läutern, wie man Silber läutert, und ihn prüfen, wie man Gold prüft. Der wird dann meinen Namen anrufen, und ich will ihn erhören. Ich sage: Er ist mein Volk, und er wird sagen: Der HERR ist mein Gott!"

 

  • Auch eine selbstkritische Haltung wird in der Bibel empfohlen, also die Prüfung seiner eigenen Gedanken und Taten. Man sollte sich selber nicht alles glauben. 

Klagelieder 3,40 

"Kommt, wir wollen unser Leben sorgfältig prüfen und wieder zurückkehren zum HERRN!"

1. Korinther 11,28 (siehe auch Vers 31)

"Jeder soll sich also prüfen und erst dann von dem Brot essen und aus dem Kelch trinken."

2. Korinther 13,5 

"Prüft euch! Stellt selbst fest, ob euer Glaube noch lebendig ist! Oder ist bei euch nichts mehr davon zu merken, dass Jesus Christus unter euch lebt? Dann allerdings hättet ihr diese Prüfung nicht bestanden."

Eph 5,10 

"Prüft in allem, was ihr tut, ob es Gott gefällt."

Galater 6,4 

"Jeder soll sein Leben genau prüfen. Dann wird er sich über seine guten Taten freuen können, aber keinen Grund zur Überheblichkeit haben."

 
c) Anleitung zum Prüfen von Inhalten
Wie kann ich Fakten prüfen im Netz?

Informationen aus dem Internet einordnen und bewerten

Faktencheck

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